Samstag, 11. Mai 2013

Stadthalter Löwe am Wasser

Singapur
September 2012
Marcel Knöchelmann













































































Mehr Bilder von Marcel Knöchelmann gibt es bei LePublikateur Leben.

LePublikateur | Literatur & ihre Medien

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Samstag, 9. Februar 2013

Action

Ich stehe morgens um sieben Uhr auf und habe nach dem ersten Kaffee etwa fünf bis zehn Minuten Ruhe. Dann kommt die erste Explosion. Meistens draußen vor meiner Wohnung. Ein Auto, manchmal auch zwei. Frauen schreien, Männer rufen die Polizei. Ich komme ja schon. Nachdem ich merke, dass ich kein Auto mehr habe, warte ich auf die erste Streife. Ich weise mich aus und lasse mich mit auf das Revier nehmen. Ungefähr drei Stunden später komme ich aus dem Büro meines Chefs raus, der mich pausenlos angebrüllt hat. Aus irgendeinem Grund habe ich nun keine Marke mehr und arbeite auf eigene Faust. Woran? Keine Ahnung. Wofür? Weiß ich auch nicht, aber ich bin gut bewaffnet.
Mein neues Auto hält ganze dreißig Minuten, dann wird es während einer Verfolgungsjagd demoliert. Ich überlebe, indem ich rechtzeitig raus springe. Ich erschieße drei Männer währenddessen. Sie gehören zu irgendeinem Syndikat, vielleicht sind sie aber auch anders organisiert und lediglich bezahlt worden. Mich bezahlt niemand, ich habe immer zu wenig Geld, bin schlecht gelaunt und seit einem Jahr von meiner Frau geschieden. Meine Kinder sehe ich voraussichtlich erst wieder, wenn sie erwachsen sind und nach Antworten suchen. Die einzige Antwort die ich habe steckt in meiner Munition und mir gehen die Kugeln aus.
Eine wunderschöne Frau verschwendet meine Zeit, vermutlich will sie mich nur reinlegen, mir eine Falle stellen. Ich lasse mich nicht so leicht in die Irre führen, ich bin stark und schlau. Es gibt eine zweite Explosion, sie ist viel größer als die erste und die Frau kommt dabei um. Ich will Rache. Mir war sie egal, aber jetzt hat sie eine Bedeutung, sie hätte meine nächste Frau werden können. Neue Kinder, ein neues Leben, aber jetzt will ich Rache.
Ich spüre die Bande auf, irgendwo in einem Lagerhaus und ich bringe sie alle um. Einen davon, den letzten, im Kampf Mann gegen Mann. Er verliert. Ich jage das Lagerhaus in die Luft. Womit? Keine Ahnung.
Nach einer endlosen Verfolgungsjagd auf Wasser, lasse ich einen witzigen Spruch vor einer Gruppe Blondinen in Bikinis. Sie wollen alle mit mir schlafen, aber ich habe noch nicht genug Leute umgebracht. Ich fahre in einem schicken Auto mit Höchstgeschwindigkeit auf eine Villa zu. Eine Festung, die ich stürmen muss. Irgendwo dort im obersten Stock wartet der allerletzte Mann. Derjenige, der für alles verantwortlich zu machen ist. Der Boss.
Eigentlich habe ich Mordshunger und muss dringend auf die Toilette, aber niemand wird den Pissfleck an meiner Hose bemerken bei all dem Blut und Schweiß, das auf mich wartet.
Wie immer bin ich der einzige Überlebende bei der Schießerei. Sirenen heulen, meine Kollegen kommen, ich werde wieder einer von ihnen sein. Mein Chef schmeißt erst einen lockeren Spruch und mir dann meine Marke zu. Wir lieben uns.
Ich fahre nach Hause. Morgen früh kehre ich zurück. Ich bin unbesiegbar.

Montag, 21. Januar 2013

Montag, 19. November 2012

Kundenrezension

Mein Sohn hat sich dieses Videospiel vor ungefähr zwei Wochen gekauft. Weder seine Mutter noch ich waren sonderlich begeistert, aber nun, was soll man machen, der Junge darf schließlich Spaß haben, oder? Ist kein erzieherisches Verbrechen, wenn man....also ich meine, wir hatten ihm ja die Konsole zu Weihnachten geschenkt, da mussten wir wohl damit rechnen, dass er irgendwann auch mal ein Spiel dafür haben will. Wir haben gesagt er müsse alles von seinem Taschengeld bezahlen, sind ja nicht billig die Dinger, fünfzig bis sechzig Euro, oder was? Ich hatte gehofft, dass er es sich dann anders überlegt. Meine Frau hatte einen Fussball vorgeschlagen, diese Dinger sind ja seit 2006 so unfassbar beliebt. Aber er war hartnäckig, wollte unbedingt dieses Spiel haben. Hat sich dumm und dämlich gespart, bis er fast alles zusammen hatte.
Ich war beeindruckt und hab gesagt, die letzten zehn Euro lege ich drauf.
Wir sind mit dem Auto in die Stadt und nachdem ich 15 Minuten nach einem Parkplatz gesucht hatte, fand ich einen Parkplatz. Ich wartete im Auto und er flitzte in den Markt.
Eine halbe Stunde hab ich gewartet und er war immer noch nicht zurück. Ich hin, schon genervt, komme an, finde ihn nirgendwo. Frage an der Rezeption oder wie man das da nennt nach, ob ein kleiner Junge hier blablabla, kurze Beschreibung abgegeben, ach Information nennt man das, nicht Rezeption.
Die Mitarbeiterin erzählt mir dann folgende Story: Ein Junge wäre wie besessen mit einem Spiel in der Hand zur Kasse gerannt, hätte die Kassiererin angebrüllt, sie sollte schneller machen, er will unbedingt nach Hause zocken. Nachdem er bezahlt hatte, rannte er schreiend und brüllend aus dem Markt, auf die Rolltreppe zu, rutschte aus, fiel die gesamte Treppe runter und es sah dann erst mal nicht so gut aus und gesprochen hat er dann auch wenig. Krankenwagen wäre gekommen und hätte ihn mitgenommen.
Ich weiß nicht mehr was ich da gedacht habe, gefühlte zehn Sekunden später war ich im Krankenhaus. Bein gebrochen. Er ist eigentlich ein ziemlich ruhiger Junge.
Er liegt seit knapp zwei Wochen zuhause auf dem Sofa und spielt. Es gefällt ihm sehr gut und er könne es weiterempfehlen. Die Charakterentwicklung ist sehr ausgeprägt und die Story glaubwürdig. Auch an der nötigen Action würde es nicht fehlen und wer gerne Strategie mag sei auch nicht falsch. Ich dachte ich erwähne das hier mal. Es war nicht besonders leicht das ganze meiner Frau zu erklären.
 4 von 5 Sternen.

Sonntag, 21. Oktober 2012

Faserland. Eine Deutschlandreise.

Wo auch immer der Titel herkommt, ob vom Zerfasern der Gesellschaft, vom Faseln des Erzählers oder vom schlecht artikulierten 'fatherland', auf das der Protagonist immer wieder eingeht; dieses Buch bietet mehr als vor der Lektüre erahnt wird.

Wie der Titel ist auch diese Reise eines Dandys durch Deutschland vielschichtiger und die Wirkung, die Konsequenzen undurchschaubarer. Es ist mehr da, man merkt es beim Lesen, es steckt irgendwo in den Etappen auf Sylt, in Hamburg, Frankfurt, München, in Heidelberg ganz besonders und am meisten in Meersburg und schließlich in Zürich. Das merkt man. Aber erst beim Lesen.

Vielleicht ist es die Entschleunigung, die immer dann eintritt, wenn der Erzähler sich erinnert, aus der Handlung flüchtet und nicht mehr nur beschreibt. Etwa in Meersburg, bei der Party am Bodensee, unter anderen Reichen. Der Protagonist erinnert sich plötzlich an seine Reise nach Mykonos, als er betrunken an einem Strandabschnitt unter Schwulen steht und einen Dampfer beobachtet - wie er immer beobachtet, salopp und naiv - und dann einen Schluss zu ziehen versucht, nur einen Absatz lang:

"Das ist natürlich etwas schwierig zu erklären, aber ist ein bißchen so, als finde man seinen Platz in der Welt. Es ist kein Sog mehr da, kein Ohnmächtigwerden angesichts des Lebens, das neben einem so abläuft, sondern ein Stillsein. Ja, genau das ist es: Ein Stillsein. Die Stille."



Christian Kracht, Faserland, 1995 Kiepenheuer & Witsch

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Das Leichteste der Welt

Im Sommer 2012 wurde Nils Koppruch, Hamburger Liedermacher und Künstler, durch die Zusammenarbeit mit Gisbert zu Knyphausen weiten Kreisen bekannt. Das Singer-Songwriter-Projekt mit dem Namen Kid Knopphausen wurde von zahlreichen Medien in die Gesellschaft getragen; es gibt Musik zu hören, robust instrumentalisiert, Gitarren und raue Stimmen. Die Texte, die gesungen wurden, sind stets mehr als nur die Geschichte, die sie erzählen. Etwa im Song Kirschen, in dem Koppruch folgenden Refrain sang: Jeder Tag ruft deinen Namen / ich wünsch' Glück an allen Tagen, / nichts ist besser als eine Liebe auf der Welt. / Kirschen gibt's an Sommertagen nur solang die Bäume tragen / und lebend gehen wir nicht mehr aus der Welt.

Nun singt er ihn nicht mehr. Und all die anderen Songs ebenso nicht mehr. Das ist schade für die Welt, doch es bleibt viel zu hören.


Kid Kopphausen Das Leichteste der Welt
 

Nils Koppruch Näher seit gestern


Nils Koppruch 1965-2012

Montag, 1. Oktober 2012

Sammelbecken Singapur

Es gibt Städte, über die man viel hört. Man liest Dinge, hört Geschichten und sieht Bilder. Dann macht man sich einen Reim darauf und hat ein Abbild der Stadt vor Augen, so wie sie sein sollte; wie man meint, wie sie wohl ist. Sagenumwoben kann man das nennen. New York ist das beste Beispiel.

Das Pendant zu New York ist vielleicht Singapur. Jedoch hört man weniger über diese Stadt, sieht weniger, liest weniger. Umso mehr passiert dort, im Sammelbecken zahlloser Kulturen.


Helix Bridge
Marina Bay
Little India





Marina Bay Gardens


Bukit Timah Nature Reserve
Financial District

Fort Canning


Marina Bay Sands Hotel

Mittwoch, 5. September 2012

Leipzig Kid

Skatet Straßen wie ein Lachs
Den wilden Bach hinunter
Im Herzen nur ein Platz
Gegen böser, gegen bunter.

Parker der Republik
Rufen ihm die Leute zu
Beliebt und doch verfolgt
Dämonen, keine Ruh.

Auf dem Brett, so frei und fit
Bananen für die Form
Seht her, es ist Leipzig Kid
(Coming down the mountain)
Riding down the storm.



Mittwoch, 15. August 2012

Edward Bloom. Man of the hour.

Das Geschichten-Erzählen hat eine lange Tradition. Geschichten erheitern, bewahren, trösten oder vertreiben einfach Zeit. Nichts gibt es, was sie an sich haben müssen, um zu bestehen. Die schönsten Geschichten sind ohne Regeln entstanden. Nur unterhalten müssen sie. Irgendwie.

Big Fish erzählt so eine Geschichte. Es ist die Geschichte von Edward Bloom. Sie erheitert mit unvergleichlichem Humor und Ewan McGregors Spitzbuben-Grinsen. Sie bewahrt die Erinnerungen einer ganzen Generation von der Kindheit, einer Kleinstadtwelt, dem Krieg, vom Zirkus, der ersten großen Liebe, dem Arbeitsleben und vom Altern. Sie tröstet, denn die Geschichte geht weiter. Nach Höhen und Tiefen geht sie immer weiter. Dass Edward Bloom das erfahren muss wie jeder andere auch, das tröstet. Und Big Fish vertreibt Zeit, vergeudet keine Sekunde. Die Geschichte unterhält, sooft man sie sieht. Danny Elfman untermalt das alles und Eddie Vedder setzt den Schlussakkord.

Nur ganz wahr ist die Geschichte nicht. Warum soll sie auch, wenn der Rest stimmt?